Charakteristisch für die Kaplan-Meier Überlebenszeitanalyse ist die grafische Darstellung Überlebensfunktion, die ein stufenförmiges Erscheinungsbild hat. Die Überlebensfunktion gibt an, inwieweit das Ereignis (in unserem Beispiel: von Spinnenphobie geheilt), noch nicht eingetreten ist. Entsprechend beginnen die Kurven auch bei einer Wahrscheinlichkeit von 100% (also 1,0).
Die Überlebensfunktion ist ein guter Startpunkt, um ein Gefühl für die Struktur der Daten zu bekommen und ihre grafische Darstellung sollte Teil der Verschriftlichung der Analyse sein. Aus den Daten kann man recht schnell eine Rangfolge für die Effektivität der Verfahren ablesen: In unserem Beispiel tritt das Ereignis am schnellsten bei der untersten Kurve (grün; Expositionstherapie) ein und am langsamsten in der obersten Kurve (rot; Hypnosetherapie).
In unserem Beispiel betrachten wir allerdings ein günstiges Ereignis. In den meisten Fällen wird das Kaplan-Meier Verfahren allerdings dazu verwendet werden, um Ereignisse abzubilden, die negativ konnotiert sind, wie Tod oder der Ausfall einer Maschine. In diesem Fall wäre die Interpretation der Überlebensfunktion genau anders herum: Die Kurve, die am weitesten oben steht hätte das größte Überleben (oder den geringsten Ausfall).
In unserem Beispiel können wir sehen, dass sich Expositionstherapie insgesamt von den anderen beiden Kurven abzuheben scheint: Die Kurve hat einen größeren Abstand zu den anderen beiden und scheint zu einem schnelleren Therapieerfolg zu führen. Wenn wir uns allerdings die Kurve der Entspannungstherapie anschauen, sehen wir, dass der Abstand Expositionstherapie mit fortschreitenden Zeit immer geringer wird und am Ende sich beide Kurven schneiden. Ob der Unterschied hier tatsächlich signifikant ist, prüfen wir bei den paarweisen Vergleichen.
Mittelwerte und Mediane interpretieren und berichten
Der Verlauf der Überlebensfunktion für Expositionstherapie legt nahe, dass Patienten mit dieser Therapieform schneller einen Therapieerfolg erleben, als in den anderen beiden Gruppen. Die durchschnittliche Dauer bis zum Eintritt des Ereignisses ist Teil der Ausgabe von SPSS zur Kaplan-Meier Analyse. Wir finden sie in der Tabelle Mittelwerte und Mediane für die Überlebenszeit.
Mittelwerte und Mediane für die Überlebenszeit | ||||||||
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Gruppe | Mittelwerta | Median | ||||||
Schätzer | Standardfehler | 95%-Konfidenzintervall | Schätzer | Standardfehler | 95%-Konfidenzintervall | |||
Untergrenze | Obergrenze | Untergrenze | Obergrenze | |||||
Entspannungstherapie | 83,278 | 5,920 | 71,675 | 94,882 | 76,000 | 7,696 | 60,915 | 91,085 |
Expositionstherapie | 51,350 | 5,158 | 41,240 | 61,460 | 38,000 | 4,578 | 29,027 | 46,973 |
Hypnosetherapie | 96,639 | 6,707 | 83,494 | 109,784 | 85,000 | 14,320 | 56,932 | 113,068 |
Gesamt | 77,697 | 3,626 | 70,589 | 84,805 | 60,000 | 4,018 | 52,124 | 67,876 |
a. Die Schätzung ist auf die längste Überlebenszeit begrenzt, wenn sie zensiert ist. |
Hier sehen wir den Mittelwert und den Median bis zum Eintritt des Ereignisses (in unserem Beispiel: Therapieerfolg) für jede Bedingung. Auch wenn wir von anderen statistischen Modellen gewohnt sind, dass der Mittelwert die Grundlage der Statistiken bildet, ist der Median bei der Kaplan-Meier Überlebensanalyse die wichtigere Statistik und wird auch häufiger berichtet.
Der Grund hierfür hat zum einen damit zu tun, dass die Verteilung der Überlebenszeit in der Regel rechtsschief ist und der Mittelwert dadurch fehlerbehaftet sein kann, zum anderen aber auch mit seiner Berechnung: Der Mittelwert ist nicht einfach nur das arithmetische Mittel, sondern als Fläche unter der Kurve (Area under the Curve; AUC) und ist als Integral definiert.
Der Median hingegen ist der Punkt, bei dem für 50% der Fälle das Ereignis eingetreten ist.
Entsprechend wird der Median als Lagemaß in den meisten Studien und Forschungsarbeiten bevorzugt berichtet. Wir werden uns für die deskriptive Statistik auch primär den Median anschauen. Für die Verschriftlichung der deskriptiven Statistik benötigen wir neben dem Median auch noch das 95%-Konfidenzintervall des Medians. Der Median (und auch der Mittelwert) ist allerdings nur ein Punktschätzer. Das heißt, wir versuchen aus unserer Stichprobe zu schätzen, wo in etwa der Median in der Population aller Menschen mit Spinnenphobie liegen würde. Meistens ist man in der Statistik aber noch daran interessiert zu wissen, wie gut diese Schätzung überhaupt gewesen ist. Hier kommt das 95%-Konfidenzintervall ins Spiel: Es gibt uns einen Bereich (also ein Intervall) an, bei dem wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% davon ausgehen können, das der wahre Median dort liegt.
In unserem Beispiel sehen wir, dass Personen in der Gruppe Hypnosetherapie im Median 85,0 Tage (unten rot hervorgehoben) benötigten, damit sich ein Therapieerfolg eingestellt hat. Weiter rechts sehen wir die Grenzen des 95%-Konfidenzintervalls. Sie reichen von 56,93 bis 113,07 Tage.
Wenn wir uns den Median und das zugehörige Konfidenzintervall für die Gruppe Entspannungstherapie anschauen, sehen wir, dass sie mit einem Median von 76,0 auf den ersten Blick schneller einen Therapieerfolg erzielen konnten. Hier kommt aber das Konfidenzintervall ins Spiel: Das Konfidenzintervall der Gruppe Entspannungstherapie reicht von 60,92 bis 91,09 und schneidet dadurch das Konfidenzintervall der Gruppe Hypnosetherapie. Schneiden sich zwei Konfidenzintervalle, können wir mit recht großer Sicherheit davon ausgehen, dass es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen gibt (auf 5% Niveau).
Mittelwerte und Mediane für die Überlebenszeit | ||||||||
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Gruppe | Mittelwerta | Median | ||||||
Schätzer | Standardfehler | 95%-Konfidenzintervall | Schätzer | Standardfehler | 95%-Konfidenzintervall | |||
Untergrenze | Obergrenze | Untergrenze | Obergrenze | |||||
Entspannungstherapie | 83,278 | 5,920 | 71,675 | 94,882 | 76,000 | 7,696 | 60,915 | 91,085 |
Expositionstherapie | 51,350 | 5,158 | 41,240 | 61,460 | 38,000 | 4,578 | 29,027 | 46,973 |
Hypnosetherapie | 96,639 | 6,707 | 83,494 | 109,784 | 85,000 | 14,320 | 56,932 | 113,068 |
Gesamt | 77,697 | 3,626 | 70,589 | 84,805 | 60,000 | 4,018 | 52,124 | 67,876 |
a. Die Schätzung ist auf die längste Überlebenszeit begrenzt, wenn sie zensiert ist. |
Deskriptive Statistik berichten
Im letzten Schritt müssen wir noch die deskriptive Statistik berichten. In der Tabelle oben sind bereits die wichtigen Werte für die Gruppe mit Hypnosetherapie farblich hervorgehoben. Diese werden wirfür jede Gruppe nach folgendem Muster verschriftlichen:
Mdn=85, 95%-KI[56,93; 113,07]
Mdn=Median, 95%-KI[Untergrenze; Obergrenze]
Mdn ist die APA-konforme Abkürzung für den Median.
Für unseren Berechnungen würden die vollständig verschriftlichen deskriptiven Statistiken so aussehen:
Deutsch
Patienten, die einer Expositionstherapie teilnahmen, hatten brauchten im Median 38 Tage (95%-KI[29,03; 46,97]), bis sich ein Therapieerfolg eingestellt hatte. Dadurch erreichten sie den Therapieerfolg kürzer als die Gruppe, die an der Entspannungstherapie teilnahm (Mdn=76, 95%-KI[60,92; 91,09]) und die Gruppe, die an der Hypnosetherapie teilnahm (Mdn=85, 95%-KI[56,93; 113,07]).
English
Patients undergoing exposure therapy needed a median of 38 days (95%-CI[29.03, 46.97]) to reach therapeutic success, requiring the least time out of the three study groups, less than both the group undergoing relaxation therapy (Mdn=76, 95%-CI[60.92, 91.09]) and hypnotherapy (Mdn=85, 95%-CI[56.93, 113.07]).
Sollte man recht viele Gruppen haben, sodass eine Verschriftlichung als Fließtext unübersichtlich erscheint, sollte die tabellarische Darstellung der Ergebnisse bevorzugt werden.
Im nächsten Schritt interpretieren wir die Kaplan-Meier Überlebenszeitanalyse und berichten die Ergebnisse.